Lesung mit Antje Wagner
„Unland“ begeistert Schüler des Bach-Gymnasiums
Freitag, 14.10.2016
Achtung, kein Happy End! Spätestens nach dieser Warnung ist auch die Aufmerksamkeit des letzten Schülers nach vorne gerichtet, auf die Autorin Antje Wagner. Am 14.10.2016 versammelten sich in der fünften und sechsten Stunde Schüler der achten, neunten und zehnten Klassen in der Aula des Johann- Sebastian-Bach-Gymnasiums, um an der Lesung von Antje Wagner teilzunehmen. Diese wurde, wie schon im Vorjahr, von Religionslehrer Axel Müller organisiert. Die Schriftstellerin Antje Wagner wurde 1974 in der Lutherstadt Wittenberg geboren, wuchs in Wartenburg in Sachsen-Anhalt auf und studierte deutsche und amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften in Potsdam und Manchester. Für ihre Bücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Feuergriffel und dem Steiermark Literatur Preis. Des Weiteren wurde sie in die Liste der besten 20 deutschsprachigen Schriftsteller unter 40 Jahren der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung aufgenommen.
Antje Wagner wechselte kurzerhand das Buch für die Lesung, da einige Schüler schon im Vorjahr an der Lesung ihres Buches „Vakuum“, das bald zu großen Teilen in Mannheim verfilmt wird, teilgenommen hatten.
Zunächst erklärte sie das Cover ihres Buches „Unland“: In der Taschenbuchausgabe ein Wendecover mit einem Wald, das seinen wahren Charakter, ebenso wie ihr Buch, erst dann offenbart, wenn man es von der richtigen Seite anschaut.
Als sie anfing, das erste Kapitel zu lesen, um einen kleinen Einblick in die Handlung und die Hauptpersonen zu geben, hörten alle Schüler aufmerksam zu, was nicht zuletzt der Empathie und Authentizität geschuldet war, mit der Antje Wagner vorlas. Das Buch „Unland“ erzählt die Geschichte von Franca Reinhold, die nach einem schrecklichen Ereignis in ihrer Familie von der Großstadt Berlin nach Waldburgen, einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt, in ein betreutes Wohnprojekt ziehen soll. Dort angekommen, sieht sie sich ihrer neuen „Familie“ gegenüber: Den Betreuern Andreas und Vera Kempf, Denise und Axel, den beiden „Kleinen“, den fünfzehnjährigen Zwillingen, dem sechzehnjährigen Matthias und schließlich dem mürrischen Ricado und dem kleinen Dackel Fussel. Das erste Kapitel endet damit, dass sich Franca nach einem Grillfest anlässlich ihrer Ankunft das Haus ansieht, ein düsteres, von Kletterpflanzen umranktes Gebäude.
Nach diesem ersten Kapitel herrschte gebannte Stille in der Aula, die Antje Wagner schließlich brach, um mit den Schülern anhand von kleinen Details im ersten Kapitel herauszufinden, in welcher Zeit die Handlung spielt: 2007 oder etwas später.
„Unland“, ihr siebtes von insgesamt zehn veröffentlichten Büchern, enthält viele autobiographische Elemente, so Wagner. Auch sie wuchs mit Heimkindern in einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt auf, in dem das größte Highlight die Kirmes einmal im Jahr war. Was sie schon immer störte, war, dass Heimkindern oftmals eine Art Mitleidsstempel auferlegt wird. In ihrem Buch wollte sie die besondere Stärke der Heimkinder zum Ausdruck bringen.
Anschließend las Antje Wagner einen Teil aus der Mitte des Buches vor, um den wahren Charakter der Geschichte zu offenbaren. In diesem Textstück sehen sich Franca, die Zwillinge und die beiden „Kleinen“ mit einigen anderen Waldburgern den Aufbau der Kirmes an. Doch plötzlich geschieht etwas Seltsames: Die bunten Lampen der Zelte werden heller und heller, bis sie schließlich ausgehen. Als ein kleines Mädchen „Stromausfall!“, ruft, fassen sich die Familien auf dem Platz an den Händen und rennen schnell nach Hause. Franca und die anderen Kinder vom Haus Eulenruh tun es ihnen nach. Andreas Kempf ist sehr erleichtert, als die fünf wohlbehalten das Haus erreichen. Franca versteht allerdings nicht, warum die Waldburger so eine Angst vor Stromausfällen haben. Durch ihren einzigartig geheimnisvollen und spannenden Schreibstil hat Antje Wagner es geschafft: Man wird neugierig auf das Buch und möchte unbedingt wissen, was das Geheimnis der seltsamen Stromausfälle ist.
Zunächst erklärt Antje Wagner die Bedeutung des Titels „Unland“. Von ihrem Zimmer aus kann Franca auf eine Häuseransammlung blicken. Die Häuser wirken allesamt schwarz, verbrannt und unbewohnt. Um das Dorf ist ein Elektrozaun gespannt, laut den Erwachsenen, um Kinder fernzuhalten. Doch Franca fragt sich, warum dann die Bewohner von Waldburgen so panisch auf Stromausfälle reagieren. Denn das Dorf, „Unland“, hat ihrer Meinung nach definitiv damit zu tun. Und was wäre, so fragt sie sich, wenn der Zaun niemanden von Unland fernhalten soll – sondern vielmehr etwas aus Unland von Waldburgen?
An dieser Stelle bricht Antje Wagner bewusst ab, um die Spannung für die Leser zu erhalten. Sie ergänzt noch, dass die meisten Thrillerautoren zu ihrer richtigen Fährte noch zehn falsche Fährten streuen, sodass der Leser am Ende meist überrascht ist, aber vielleicht doch schon eine Ahnung hatte.
In der anschließenden Fragerunde beantwortete sie die Fragen der Schüler bezüglich ihrer Arbeitsweise, ihres Arbeitsplatzes und ihrer bevorzugten Buchgenres.
Sie erzählte, dass sie zwar immer ein Notizbuch für Ideen dabei habe, jedoch normalerweise in einem großen Raum am Computer arbeite, da sie dort ihre Manuskripte besser überarbeiten könne – und das tut sie in der Regel bis zu 40 Mal nach verschiedenen Aspekten. Den Schülern gab sie den Tipp, Aufsätze für den Unterricht am Computer zu schreiben und am besten mehrfach zu überarbeiten.
Auf die Frage, ob sie selbst lese, antwortete sie lächelnd, sie sei eine geradezu fanatische Leserin verschiedener Genres und lese auch häufig Jugendbücher. Ein Schüler wollte wissen, wo sie anfängt, Geschichten zu schreiben. Sie antwortete, dass sie in der Regel ein festes Gerüst für eine Geschichte im Kopf habe, jedoch bei Unland zuerst den Schluss geschrieben und dann die übrige Geschichte darauf zugelenkt habe.
Auch wurde die Frage gestellt, wie viel sie bei der Verfilmung ihres Buches „Vakuum“ als Autorin mitentscheiden dürfe. Sie erklärte, dass sie das Buch und die Geschichte verkauft und somit das Drehbuch nicht geschrieben habe. Jedoch stellte der Regisseur Antje Wagner einige Fragen, um das Buch wie sie zu verstehen und bei den Dreharbeiten wird sie auch anwesend sein.
Nach einem begeisterten Applaus war die Lesung beendet.
Sicherlich wird auch in Zukunft die Möglichkeit, ein Buch direkt vom Autor/von der Autorin vorgestellt zu bekommen, viele Schüler begeistern.
Lesung mit Antje Wagner
VeröffentlichungFreitag, 14.10.2016
KategorienAlle Artikel, Deutsch, Sprachen, Veranstaltungen