Mannheimer Schüler ,,löchern” Politiker per Online-Format

Landtagswahl – In einer Diskussion des Bach-Gymnasiums geht es um Klimapolitik, das ,,Grundschul-Abi” und G 9

Dienstag, 16.02.2021

Der Countdown läuft – nur noch ein guter Monat ist es bis zur Landtagswahl am 14. März. Eigentlich die absolute Hochphase im Parteienwahlkampf: Diskussionsrunden und Hausbesuche sind dabei normalerweise unverzichtbare Bestandteile. „Normal“ ist wegen Corona derzeit aber Fehlanzeige, also sind Kreativität und Flexibilität gefragt.

Eine Möglichkeit, einigen Kandidierenden genauer auf den Zahn zu fühlen, hatte jetzt der Politikleistungskurs des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums bei seiner Podiumsdiskussion „Bock auf Wahl“. Statt auf gefüllte Sitzreihen im Capitol wie in den Jahren zuvor schauen die Teilnehmenden auf ihre Computerbildschirme. Sechs Politikerinnen und Politiker aus beiden Wahlkreisen stellen sich den Fragen der Moderierenden: Lennart Christ (CDU), Rüdiger Ernst (AfD), Stefan Fulst-Blei (SPD), Sven Metzmaier (Die Linke), Julia Schilling (FDP) und Elke Zimmer (Die Grünen).

Fragen zu Themengruppen

„Wir haben uns arbeitsteilig die Parteiprogramme angeschaut und zu vier Themengruppen Fragen erarbeitet“, erklärt Theresa Reindl (17 Jahre). Alle Beteiligten sind im Chat anwesend, zu sehen sind allerdings nur die sechs Kandidierenden und drei Moderierende. Für jede Frage haben die Politiker genau 30 Sekunden zum Antworten. Wer die Zeit überschreitet, wird stummgeschaltet. Zusätzlich kann die Redezeit mit einem Joker zweimal um 30 Sekunden verlängert werden. „Mit Smileys im Chat können Sie bei einzelnen Fragen zu- oder abstimmen, aber auch zwischendrin Stimmung machen“, erklärt Todd (17 Jahre).

Nachdem im Format eines Bewerbungsgesprächs persönliche Stärken und Schwächen offengelegt werden sollen, geht es um das Potenzial Baden-Württembergs. „Wir können alles außer Hochdeutsch – so lautet ein bekannter Werbeslogan des Landes“, erklärt Theresa. „Gibt es etwas, das Baden-Württemberg Ihrer Meinung nach besonders gut kann, und wo können wir uns doch noch verbessern?“. Stärken, so der Konsens, seien die Automobilindustrie, die Industrie und die ständige Innovation. Auch auf die verschiedenen Dialekte ist man stolz, was Stefan Fulst-Blei auf Kurpfälzisch „babbelnd“ beweist. Ausbaufähig hingegen seien soziale Gerechtigkeit sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen.

Deutliche Unterschiede zwischen den Parteien werden beim ersten Themenblock Umwelt und Energie klar. Die Anwesenden sollen sich in die Position eines Eisbären versetzen und erklären, was dieser gegen den Klimawandel machen kann. Vorherrschende Meinung: Das Tier sei dem Menschen und dessen Willen zum konsequenten Klimaschutz ausgeliefert. Einzig Rüdiger Ernst meint, sich als Eisbär einem natürlichen Prozess anpassen zu müssen. Für ihn tragen Schwellenländer wie China die eigentliche Verantwortung, Deutschlands Klimapolitik dagegen sei irrelevant. Gegenwind gibt es von den anderen Parteien. Zimmer, Fulst-Blei und Metzmaier betonen die Notwendigkeit einer schnellen Energie- und Mobilitätswende, bei der auf erneuerbare Energien sowie den Kohleausstieg gesetzt werden soll. Auch Schilling und Christ stimmen zu. Solche Schritte seien allerdings nicht „von heute auf morgen möglich“, so Schilling. Großes Potenzial sehen alle sechs im Wasserstoff als künftigem Energieträger.

Für Differenzen sorgt der zweite Block Bildung und Ausbildung. Zwar bedauern die Politiker die coronabedingten Schulschließungen und sprechen sich für eine schnelle Rückkehr zum Präsenzunterricht aus. Uneins ist man sich aber, wie Bildungsgerechtigkeit konkret umgesetzt werden soll. FDP, CDU und AfD plädieren für eine Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung. Elke Zimmer bezeichnet diese als „ein kleines Abitur“ und kritisiert den immensen Druck auf Grundschulkinder.

Sein „Herzensthema“, so Fulst-Blei, sei die Einführung der Wahlmöglichkeit von G8 und G9 an öffentlichen Schulen. Hierfür setzt er sogar seine zwei Joker in einer Diskussion mit Zimmer ein. Bildung dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.
 
Mit einer Kreativaufgabe geht es im Block Wirtschaft weiter. Die Kandidierenden sollen ein Demoplakat gestalten mit Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft in der Pandemie. Steuerentlastungen, unbürokratische und schnelle Hilfen und vor allem die Verhinderung eines dritten Lockdowns – auch hier herrscht Einigkeit. In Bezug auf die Wirtschaft am stärksten einsetzen würde er sich im Landtag für die Digitalisierung vor allem in der Industrie sowie für den Ausbau der entsprechenden Infrastruktur, so Christ.
 
Kontroverse Debatte

Kontrovers wird es beim letzten Themenblock Migration und Integration. Die Kampagne der Seebrücke, ganz Baden-Württemberg zum „Sicheren Hafen“ zu erklären, lehnt Ernst (AfD) als Einziger ab. Man wolle keine Anreize schaffen, sich auf einen solch gefährlichen Weg zu begeben. Auch bei der Diskussion um die Umbenennung von Straßen, die Namen kolonialistischer Machthaber tragen, beziehen die Parteien gewohnte Positionen.

Für eine hitzige Auseinandersetzung sorgt ein Wahlplakat der AfD zum Thema Flüchtlinge, das von den übrigen Politikern als menschenverachtend, zynisch und sogar „pervers“, so Christ, bezeichnet wird. Hier zücken alle ihre Joker und liefern sich einen dynamischen, wenn auch inhaltlich wenig überraschenden Schlagabtausch.

Johanna Dörsam, erschienen im Mannheimer Morgen (16.02.2021)

Im Folgenden findet sich der Videotrailer zur Veranstaltung:

Das gesamte Video ist unter https://www.lpb-heidelberg.de/ abrufbar.

Mannheimer Schüler ,,löchern” Politiker per Online-Format

VeröffentlichungDienstag, 16.02.2021

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